Eine Auseinandersetzung mit einem großen, facettenreichen Begriff

Wenn wir von Nachhaltigkeit sprechen, erscheint es oberflächlich gesehen so, dass wir uns leicht auf eine gemeinsame Sicht einigen können. Doch in der tieferen Betrachtung wird deutlich, dass Nachhaltigkeit nicht immer die gleiche Bedeutung für jede:n hat.

In der Annäherung an den Begriff im Kreis zur „Nachhaltigkeit in der Organisationsentwicklung (NOE)“ war für uns eine gemeinsame Einordung des Begriffs der Nachhaltigkeit auch eine Auseinandersetzung mit unseren eigenen Werten zum Thema.

Eine hohe Komplexität sowie eine innere und äußere Spannung wurden sichtbar. Das Interesse wurde größer, einen Überblick über das Thema zu erhalten sowie Arbeitsweisen zu erkunden, die das Thema Nachhaltigkeit in Organisationen besprechbar und behandelbar machen (siehe dazu auch NOE – Ein Experiment mit den Ich-Entwicklungsstufen).

Unsere Schritte in der Auseinandersetzung führten über das Wertequadrat nach SySt® (ein Schema zur Betrachtung und dem Balancieren von Wertespannungen) hin zu unseren eigenen in Verbindung mit den gesellschaftlichen Werten. Die darauf aufbauende konzeptionelle Betrachtung sollte uns helfen, die Spannungsfelder von Organisationen, Institutionen und gesellschaftlichen Akteuren noch besser zu verstehen.

Konzeptionelle Betrachtung

Die Beschäftigung mit Nachhaltigkeit hat uns zu der Frage geführt, ob wirtschaftlicher Erfolg ausschließlich mit der Betrachtung dessen, was „unter dem Strich“ übrigbleibt, hinreichend beschrieben ist. Ein erweiterter Ansatz sieht vor, auch die ökologischen und sozialen Folgen ökonomischer Tätigkeit zu berücksichtigen. Wir schlagen darüber hinaus vor, dass zusätzlich auch noch die kulturellen Bedingungen bzw. Wirkungen betrachtet werden. Mit anderen Worten wird die wirtschaftliche Tätigkeit nicht nur nach ökonomischen Kriterien beurteilt, sondern zusätzlich auch nach den Wirkungen auf den Feldern Ökologie, Soziales und Kultur. Dadurch erhält der bisher eher technisch-naturwissenschaftliche Ansatz zusätzlich eine Werteebene, deren Inhalte individuell und gesellschaftlich ausgehandelt werden müssen.

Das erfordert:

  • eine Entwicklung des individuellen und kollektiven Bewusstseins,
  • einen Dialog darüber, was uns als Menschen/Menschheit eigentlich wirklich wichtig ist,
  • Antworten auf die Frage, wo wir Kompromisse (etwa bei Bedürfnissen, Investitionen) machen können und wollen.

Beide Perspektiven (persönliche und gesellschaftliche) gilt es schließlich zu integrieren, um zu einem gesellschaftlich breit getragenen Kompromiss darüber zu gelangen, was uns insgesamt wirklich wichtig ist (demokratische Voraussetzung für Nachhaltigkeit).

Die zunächst zu Forschungszwecken vorgenommene konzeptionelle Trennung der verschiedenen Perspektiven (ökonomisch, sozial, ökologisch und kulturell) ist in einem nächsten Schritt für die konkrete Umsetzung wieder zu integrieren. Ebenso wie die individuelle und gesellschaftliche Perspektive. Durch diese Überwindung der fragmentierten Betrachtung kann erst eine nachhaltige, ganzheitliche (i.S.v. ganz = heil) Perspektive entstehen. Hierdurch wird die in unserem Denken tief verankerte Trennung von Menschen und Natur bei der „Beschäftigung“ mit Nachhaltigkeit überwunden.

Für die Umsetzung der Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft bietet das Transformationsmodell des Wuppertal Instituts eine umfassende und praktische Blaupause. Erweitert um Bezugsräume für die Akteure (D Ebenen) bietet es einen stabilen Rahmen für ein umfassendes Transformations-Programm. Die Abbildung gibt einen Überblick über das Modell, das hier aber nicht ausführlicher beschrieben werden soll.

Neben den sieben Arenen (Politikfeldern) haben wir noch drei weitere notwendige Arenen identifiziert, die einer grundlegenden Überarbeitung bedürfen. Diese sind:

  • die Bildungswende,
  • die Finanzwende und
  • die Gesundheitswende.

Welche Schlüsse ziehen wir nun aus unseren Erkenntnissen?
Es zeigt sich, dass die Betrachtung des Begriffs Nachhaltigkeit in seine gesamte Komplexität hineinführt. Folglich müssen verschiedene Ebenen betrachtet werden, wie z.B.

  • die Individuelle Ebene: Was kann ich selbst beitragen?
    Jede Person ist demnach aufgefordert sich diese Frage immer wieder zu stellen und die
    eigenen Werte und Haltungen zu reflektieren, um in ein bewusstes Handeln zu kommen.
  • die Ebenen der Institutionen/Organisationen: Was wollen wir als Organisation tun?
    Was können wir als Organisationsentwickler beitragen?

    Was heißt es also für uns in der Begleitung von Unternehmen in Zeiten der
    Klimakatastrophe? Wie können wir Organisationen helfen, gleichzeitig zukunftsfähig zu
    bleiben und zum Gemeinwohl beizutragen?
  • Gesellschaftliche Ebene: Alle
    Hier wird künftig Organisationsentwicklung eine Rolle spielen müssen (am (Öko-)System bzw. an den Rahmenbedingungen zu arbeiten)
    Das bedeutet, dass die Grenze für Organisationsentwickung (OE) nicht mehr das einzelne legale Unternehmen ist, sondern die OE auch auf das Ökosystem des Unternehmens ausgedehnt werden sollte (z.B. Arbeitsmarkt, Wohnraum, Ver- und Entsorgung, Lieferanten, gesamte Lieferkette, Behörden, Naturraum, Forschungseinrichtungen, Cluster, etc.)

Aus systemischer Perspektive wird ein notwendiges Zusammenwirken zwischen den Ebenen sehr deutlich. Das bisherige Denken ist fragmentiert und betrachtet die Ebenen isoliert.

Unser Fazit ist somit, dass wir für eine tieferes Verständnis von Nachhaltigkeit die Welt als einen Organismus (bewusst nicht: Mechanismus) bzw. lebendigen Körper mit all seinen Wechselwirkungen betrachten müssen. Man kann organisatorisch auch sagen, dass Unternehmen in ihrer Verbundenheit mit der Umwelt in eine Art Ökosystem eingebunden sind.

Nachhaltigkeit ist kein rein technisch zu verstehender Begriff, sondern eine systemisch,
zirkulär ausgerichtete Kulturaufgabe.